Was passiert bei Nullpositionen im Leistungsverzeichnis?

Wann wird aus einer ausgeschriebenen Bauleistung ein Kostentreiber? Immer dann, wenn ausgeführte Mengen erheblich von der Ausschreibung abweichen – insbesondere im Fall der sogenannten Nullposition. Der Mindermengenausgleich nach § 2 Abs. 3 VOB/B bietet hierfür einen rechtlichen Mechanismus. In der Praxis treten jedoch häufig Missverständnisse auf – gerade bei Nullpositionen, die komplett entfallen. Wie hier der korrekte Umgang nach der VOB aussieht und welche Ansprüche bestehen, klärt dieser Beitrag.

Was regelt die VOB bei der Nullposition?

Die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB) beschreibt im Abschnitt § 2 Abs. 3 VOB/B die Grundlagen für Preisänderungen bei Mengenabweichungen. Fällt eine Position, die ursprünglich vollständig kalkuliert war, im Bauverlauf auf 0 %, ist laut VOB nicht automatisch von einem „Wegfall“ die Rede – sondern rechtlich betrachtet handelt es sich um eine Teilkündigung. Das hat weitreichende Folgen:

  • Nullmengen führen nicht zur ersatzlosen Streichung
  • Es entsteht ein Vergütungsanspruch nach Maßgabe der freien Kündigung
  • Ein Nachtrag zur Kompensation ist nicht automatisch zulässig

Die Unterscheidung ist entscheidend, denn viele Auftraggeber versuchen, die entfallene Position mit einer anderen, überhöhten Leistung auszugleichen – etwa durch Abrechnung von 108 % in einer anderen Position. Ein rechnerischer Ausgleich ist jedoch unzulässig.
Rechtliche Basis: § 8 Abs. 1 VOB/B – freie Kündigung
Im Falle einer Nullposition greift die Regelung zur Teilkündigung nach § 8 Abs. 1 VOB/B. Diese sieht vor, dass der Auftraggeber jederzeit zur freien Kündigung berechtigt ist. Für vollständig gestrichene Leistungen bedeutet das:

  • Die Position ist als gekündigt zu werten
  • Der Auftragnehmer erhält eine Entschädigung gemäß § 8 Abs. 1 VOB/B
  • Eine Substitution durch andere Positionen ist nicht erlaubt

Beispielrechnung: So wird der Mindermengenausgleich ermittelt
Ein Rechenbeispiel aus der Praxis illustriert die Abläufe. Ursprünglich wurde eine Leistung mit 40.000 € kalkuliert. Im Bauablauf wird diese Position jedoch nicht benötigt – die Menge reduziert sich auf null.

Nun greift der Mechanismus des Mindermengenausgleichs:
Materialabzug: Bei einem Materialanteil von 50 % werden hiervon 20.000 € abgezogen
Restbetrag: 20.000 € verbleiben als Abgeltung für Löhne, AGK, BGK, Gewinn, NU-Leistungen und Gerätekosten
Klar ist: Nur der reine Materialaufwand entfällt. Der verbleibende Teil stellt einen berechtigten Entschädigungsanspruch dar. Dieser kann zusätzlich Nu-Leistungen (Nachunternehmer) und Gerätelasten enthalten, sofern sie im Angebot einkalkuliert wurden.


Diese Bausteine sind entschädigungspflichtig:

  • Kalkulierte Lohnkosten
  • Allgemeine Geschäftskosten (AGK) auf den Materialanteil
  • Baustellengemeinkosten (BGK)
  • Gewinnanteil auf den entfallenen Stoff
  • Kosten für Geräte und NU-Leistungen

Missverständnisse beim Auftraggeber: Kein Anspruch auf Verrechnung
Typisch ist die Fehlannahme, eine neue Leistung könne die entfallene Nullposition kompensieren. Beispielsweise wird eine neue Position mit 108 % beauftragt – in dem Glauben, dies gleiche die alte aus. Jedoch untersagt die VOB eine Verschmelzung beider Positionen. Stattdessen ist jeder Entfall isoliert zu betrachten. Rechtlich bindend ist einzig die Abrechnung über den Mechanismus der Kündigungsregelung.
Der Irrtum des Auftraggebers liegt in der Annahme, die neue Position sei ein legitimer Nachtrag. In der Praxis führt das immer wieder zu Konflikten, wenn der Auftragnehmer seinen Vergütungsanspruch korrekt geltend macht.

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Praktische Umsetzung des Mindermengenausgleichs


Die Durchsetzung des Anspruchs ist mit Aufwand verbunden. Zunächst muss die Kalkulationsstruktur transparent offengelegt und nachgewiesen werden, welche Kosten auf Löhne, Geräte und indirekte Aufwendungen entfielen. Ohne detaillierte Darstellung der Kostenstrukturen wird kein Vergütungsanspruch anerkannt.
Wichtige Schritte zur Durchsetzung des Anspruchs:

  • Detailanalyse der ursprünglichen Angebotspreise
  • Trennung von Material und übrigen Kostenbestandteilen
  • Dokumentation aller kalkulierten Gemein- und Einzelkosten
  • Schriftliche Mitteilung über den Vergütungsanspruch an den Auftraggeber
  • Notfalls gerichtliche Klärung gemäß VOB/B

Ein häufiges Problem: Auftraggeber verweigern trotz klarer VOB-Lage die Zahlung. Grund sind nicht selten fehlerhafte Begriffsinterpretationen – etwa, dass keine „Anordnung“ erfolgte oder kein klarer Kündigungstatbestand vorliegt. In diesem Fall ist es unerlässlich, auf die rechtliche Systematik der Teilkündigung gemäß § 8 Abs. 1 VOB/B zu verweisen.

Wirtschaftliche Relevanz: Ungenutzte Potenziale erkennen

Wer bei Nullpositionen auf seinen Anspruch verzichtet, verzichtet im Zweifel auf zehntausende Euro. Die Entschädigungspflicht ist kein Goodwill, sondern in der VOB eindeutig geregelt. Insbesondere bei größeren Bauvorhaben entstehen somit fünf- bis sechsstellige Vergütungsansprüche, die zu Unrecht nicht geltend gemacht werden.
Versäumte Nachforderungen haben konkrete wirtschaftliche Folgen:

  • Gewinnverluste durch nicht abgerechnete Lohn- und Gerätekosten
  • Verstärkung des unternehmerischen Risikos auf Auftragnehmerseite
  • Verlust früh identifizierbarer Ansprüche mit klarer Rechtsgrundlage

Eine professionelle Begleitung durch baurechtlich geschulte Projektbegleiter kann dafür sorgen, dass Mindermengenausgleiche sicher durchgesetzt und Vermögensverluste verhindert werden.

FAQ – Häufige Fragen zum Mindermengenausgleich bei Nullpositionen

Wann liegt gemäß VOB eine Nullposition vor?

Wenn eine ausgeschriebene und kalkulierte Position während der Bauausführung vollständig entfällt, liegt eine Nullposition gemäß § 2 Abs. 3 VOB/B vor.

Ist ein Ausgleich der Nullposition durch andere Positionen erlaubt?

Nein. Die VOB schreibt vor, dass jeder Entfall separat abzurechnen ist – eine Verrechnung mit anderen Leistungen ist unzulässig.

Wie berechnet sich die Entschädigung bei Teilkündigung?

Nach Abzug des Materialanteils werden kalkulierte Löhne, AGK, BGK, Gewinn sowie NU- und Gerätekosten erstattet.

Was tun, wenn der Auftraggeber die Zahlung verweigert?

In diesem Fall ist eine schriftliche Argumentation auf Grundlage von § 8 Abs. 1 VOB/B notwendig. Bei anhaltender Ablehnung kann juristische Unterstützung sinnvoll sein.