Was bedeutet eigentlich die viel zitierte „Urkalkulation“ im Rahmen der VOB – und warum sorgt sie regelmäßig für Missverständnisse auf der Baustelle?
Die falsche Auslegung dieses Begriffs führt bei vielen Auftraggebern und Fachplanern zu unnötigen Diskussionen und nicht selten zu unberechtigten Forderungen an Unternehmen. Besonders im Hoch- und Tiefbau ist eine korrekte Kalkulation essenziell. Umso wichtiger ist es, dass ein zentraler Punkt wie die Urkalkulation VOB exakt verstanden und richtig angewendet wird.
Der Irrglaube: Urkalkulation = Pflichtnachweis für alle
Im Kontext der VOB (Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen) hält sich hartnäckig der Irrglaube, die sogenannte Urkalkulation sei für alle Gewerke verpflichtend offenzulegen – oder müsse wie ein technischer Nachweis detailliert vorliegen. Tatsächlich liegt hier ein fundamentaler Denkfehler vor.
Die Urkalkulation in der VOB ist ausschließlich dort von Bedeutung, wo komplexe Einheitspreise gerechtfertigt und nachvollziehbar aufgebaut werden müssen. Dies betrifft vor allem:
- Rohbau
- Hochbau
- Tiefbau
- in bestimmten Fällen das Schreinergewerk
Gewerke wie Maler, Trockenbauer oder Installateure arbeiten hingegen meist mit deutlich einfacheren Kalkulationsmodellen, bei denen ein hoher Vorbereitungsaufwand wie bei einer Urkalkulation schlicht nicht erforderlich ist.
EFB 221 und EFB 223: Die realistische Urkalkulation
Der am häufigsten anzutreffende Irrtum dreht sich um die Form der Urkalkulation. In der Praxis – besonders bei öffentlichen Ausschreibungen – erfolgt der Nachweis der Kalkulationsgrundlage nicht durch eine ausformulierte Begründung, sondern über die Formblätter EFB 221 und EFB 223.
Diese beiden Dokumente bilden das Rückgrat einer belastbaren und prüffähigen Einheitspreiskalkulation:
- EFB 221: Erläuterung zur Kalkulationsgrundlage, auch bekannt als "Erklärung zur Preisermittlung bei Zuschlagskalkulation"
- EFB 223: Darstellung der Einheitspreise im Formblatt-System
Sie zeigen Zeile für Zeile, wie sich ein Einheitspreis zusammensetzt – ob bei Betonarbeiten, Erdbewegungen oder Stahlbau. Die Urkalkulation wird damit zu einem systematisch belegten, prüffähigen Dokument.
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Einheitspreise im Vergleich: Hochbau vs. Ausbau
Ein zentrales Verständnisproblem entsteht durch den Vergleich der Komplexität einzelner Gewerke. Während im Hoch- oder Tiefbau zahlreiche Einzelpositionen wie Schalung, Bewehrung, Betonieren, Kran- und Gerüstnutzung auf den Einheitspreis Einfluss nehmen, ist das in vielen Ausbaugewerken nicht der Fall.
Beispiel: Beim Montieren eines Edelstahlrohrs sind Komponenten wie Material, Lohn und ggf. minimaler Hilfsmitteleinsatz zu berücksichtigen. Ein solch transparenter und einfacher Aufbau macht eine tiefgreifende Urkalkulation überflüssig.
Im Gegensatz dazu benötigt eine Betonierposition im Hochbau:
- Schalungssysteme (Auf- und Abbau)
- Bewehrungseinbau
- Nutzung von Hilfsgeräten (z. B. Kran, Betonmischer)
- Arbeitszeit der Kolonne inklusive Vor- und Nachbereitungszeit
Ein derart komplexer Preisaufbau rechtfertigt – und erfordert – eine ausführlichere Darstellung gemäß EFB 221 und 223Ergebnisrelevanter sind:
Ursprung des Missverständnisses
Die Verwirrung um die Notwendigkeit der Urkalkulation resultiert oft aus falsch interpretierten Anforderungen seitens Auftraggeber oder Planer. Häufig wird verlangt, der Auftragnehmer möge seine „Urkalkulation“ offenlegen – also eine vollständige Preisrechtfertigung auf Einzelpositionsebene.
Problematisch hierbei:
- Diese Offenlegungspflicht besteht nicht pauschal für jedes Gewerk
- Die reine Existenzerwartung einer Urkalkulation führt zu Irrtümern bei der Nachtragsverhandlung
- Fehlende Differenzierung der Kalkulationslogik führt zu pauschalisierten Rückweisungen von Nachträgen
Ein klarer Bezug zur VOB/A und VOB/B, insbesondere zur Preisermittlung nach § 5 VOB/A, schafft hier mehr Sicherheit.
Mythen widerlegt – Praxis gestärkt
Der weit verbreitete Mythos um die Urkalkulation basiert auf einer Überinterpretation des Begriffs. Eine systematische Vorgehensweise mit Hilfe der EFB-Formblätter stärkt nicht nur die Nachvollziehbarkeit, sondern liefert auch fundierte Argumente bei der Nachtragsdiskussion. Denn wer seine Einheitspreise mit EFB 221 und 223 belegen kann, hat seine Urkalkulation VOB bereits wirksam erbracht.
Für die Praxis bedeutet das:
- Kein allgemeines Offenlegungsgebot außerhalb der definierten Formblätter
- Rechtssichere Grundlage für Nachtragsverhandlungen
- Klar definierte Anwendung auf komplexe Gewerke
- Reduktion von Konflikten und Ablehnungen im Ausschreibungsprozess
Fazit: Die VOB kennt die Urkalkulation – aber nicht wie gedacht
Die Urkalkulation VOB existiert nicht als freiformuliertes Dokument, sondern als strukturierte Darlegung innerhalb überprüfbarer Formblätter. Wer auf dieser Grundlage kalkuliert, ist bestens vorbereitet – insbesondere bei hochkomplexen Einheitspreisen im Rohbau- und Tiefbausektor.
Unausgesprochene Normen oder zusätzliche Anforderungen seitens Auftraggeber sind keine Vertragsgrundlage und dürfen nicht zum Druckmittel in Verhandlungsgesprächen avancieren. Eine klare Abgrenzung der Gewerke und das Verständnis für den eigentlichen Zweck der EFB-Formblätter schaffen hier Transparenz und Rechtssicherheit.
FAQ: Urkalkulation und VOB
Was versteht man unter der Urkalkulation nach VOB?
Die Urkalkulation bezeichnet die ursprüngliche Kalkulationsgrundlage eines Einheitspreises. Sie wird durch die Formblätter EFB 221 und EFB 223 dokumentiert.
Ist die Vorlage einer Urkalkulation Pflicht?
Nein. Eine formale Pflicht zur Offenlegung besteht nicht pauschal. Eine Urkalkulation wird in der Regel nur bei öffentlichen Aufträgen oder besonderen Nachweisforderungen verlangt – und dann über die EFB-Formblätter.
Für welche Gewerke ist die Urkalkulation relevant?
Vor allem für komplexe Gewerke wie Hochbau, Tiefbau, Rohbau. Sie ist nicht zwingend notwendig für standardisierte Ausbaugewerke wie Maler oder Bodenleger.
Welche Rolle spielt die Urkalkulation bei Nachträgen?
Sie dient als Argumentationsgrundlage in Verhandlungen und dokumentiert die Grundlagen für Preisänderungen. Eine fundierte Darstellung nach EFB 221/223 unterstützt die Plausibilität von Nachträgen.
