Warum enden viele Bauprojekte trotz guter Planung in finanziellen und rechtlichen Problemen? Häufig liegt die Ursache in einer unzureichenden Anwendung der VOB. Denn wer die Verdingungsordnung für Bauleistungen nicht „zwischen den Zeilen“ liest, riskiert immense Nachforderungen, Liquiditätsengpässe oder gar komplette Zahlungsausfälle.

Dieser Artikel zeigt konkret, welche Fehler zu oft passieren – und wie sie sich vermeiden lassen.

Die Abnahme: Spielentscheidung im Bauprozess

Der Zeitpunkt der Abnahme markiert einen rechtlichen Wendepunkt. Mit ihr geht die Beweislast auf den Auftraggeber über, die Gewährleistungsfrist beginnt und Leistungen können endgültig abgerechnet werden.

Häufige Praxisprobleme:

  • Aufschub der Abnahme durch den Auftraggeber mit Hinweis auf "Restmängel"
  • Verweigerung der Abnahme trotz Fertigstellung
  • Keine klare Kommunikation über wesentliche oder unwesentliche Mängel

Laut VOB/B ist jedoch klar geregelt (§ 12):

  • Die Abnahme kann nicht unbegrenzt verweigert werden
  • Unwesentliche Mängel sind kein Ablehnungsgrund
  • Der Auftragnehmer kann eine förmliche Abnahme fordern
  • Eine Abnahmefiktion tritt unter bestimmten Bedingungen automatisch ein

Probleme entstehen meist dann, wenn Arbeiten begonnen wurden, bevor eine vollständige Ausführungsplanung oder ein stimmiges Leistungsverzeichnis vorlag. Bauunternehmen geraten dadurch in eine Zwangslage und können Abnahmen nicht erzwingen, weil sie sich von Beginn an angreifbar gemacht haben.

Abschlagsrechnung und Zahlungsfristen: Wenn Umsatz verpufft

Ein klassisches Beispiel aus der Praxis:

Ein Unternehmen reicht eine Abschlagsrechnung über 100.000 Euro ein – mehrere Wochen lang passiert nichts. Der Fachplaner meldet sich spät, gibt sie frei, aber es fließt nur ein Teilbetrag. Grund: angeblich fehlender Nachweis. Ergebnis: Liquiditätsengpass.

Was sagt die VOB/B, § 16?

  • Abschlagszahlungen sind „auf Antrag in möglichst kurzen Zeitabständen“ zu leisten
  • Zahlungen müssen binnen 21 Tagen erfolgen ab Eingang der prüfbaren Unterlagen
  • Bei Zahlungsverzug ist eine Leistungseinstellung (§ 16 Abs. 5 Nr. 3) möglich

Problematisch: Viele Unternehmen versuchen Mahnungen zu stellen – ein Begriff, den die VOB gar nicht kennt. Wichtiger ist es, formal korrekt eine Frist zur Zahlung zu setzen und – bei fruchtlosem Verstreichen – die Arbeiten rechtlich sauber einzustellen.

Gemeinsam messen: Das Aufmaß als Schlüsselinstrument

Das Aufmaß ist keineswegs ein technisches Randthema. Es entscheidet darüber, ob Leistungen vollständig und korrekt vergütet werden.

Typische Fehler:

  • Aufmaß erfolgt allein und ohne Gegenzeichnung
  • Schlechte Planqualität verhindert rückwirkende Beweissicherung
  • Streit über "nicht prüfbare" Positionen verzögert Zahlungen über Monate

VOB fordert in beiden Teilen – VOB/B und VOB/C:

  • Das gemeinsame Aufmaß vor Ort ist Regelfall
  • Ausnahme: bei zweifelsfreier Planqualität kann auch aus Plänen gemessen werden

Doch in der Praxis bleibt oft keine Zeit für ein gemeinsames Messen. Folge: Leistungen sind nicht dokumentiert – oder nur teilweise –, was später die Vergütung blockiert.

Lösung:

  • Möglichst jedes Gewerk mit Bildnachweis dokumentieren
  • Alle wesentlichen Positionen im Aufmaß abstimmen
  • Planbasierte Aufmaße nur dann erstellen, wenn die Planunterlagen vollständig und genau sind

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Nachträge korrekt anmelden: § 2 VOB verstehen – und richtig umsetzen

Beim Thema Nachträge zeigt sich, wie empfindlich das VOB-System auf Formfehler reagiert.

Verbreitetes Problem: Ein zusätzlicher Pufferspeicher wird auf Anweisung vor Ort eingebaut, der Posten fehlt jedoch im Leistungsverzeichnis. Nachträglich wird eine Rechnung gestellt – der Auftraggeber verweist auf fehlende Angebotsankündigung.

Die Rechtslage nach § 2 Abs. 6 VOB/B:

  • Nicht vereinbarte Leistungen sind nach VORHERIGER Ankündigung zu vergüten
  • Ohne diese Ankündigung besteht kein Anspruch

Es hilft dann nur noch der Ausweg über § 2 Abs. 8 Nr. 2: Der Auftraggeber erkennt die Leistung im Nachhinein ausdrücklich an.

Hilfreiche Maßnahmen:

  • Schriftlich auf zusätzliche Leistungen hinweisen, bevor sie ausgeführt werden
  • Mehrkostenanzeigen konkret formulieren
  • Nachträgliche Anerkennung immer dokumentieren lassen (z. B. mit E-Mail-Vermerk)

Zahlreiche Leistungen ohne Vergütung entstehen genau aus diesem Versäumnis. Dabei bietet die VOB klare Leitlinien, wenn sie rechtzeitig angewandt wird.

Fehlende Ausführungsplanung: Das teuerste Risiko des Projekts

Das größte Problem vieler Bauprojekte: Es gibt keine vollständige oder geordnete Ausführungsplanung. Bauunternehmer beginnen trotzdem die Umsetzung – aus Zeitdruck, aus Druck des Auftraggebers oder weil es "immer so lief".

Was folgt?

  • ⁠Termindruck wandelt sich in stundenweise Vorgehensweise vor Ort
  • ⁠Keine kalkulationssichere Grundlage mehr gegeben
  • Hoher Abstimmungsaufwand lähmt das Projekt

Die VOB/B (§ 3 Abs. 1) regelt:

  • Bauleistungen dürfen erst nach Vorlage aller für die Ausführung notwendigen Unterlagen starten
  • Die Verantwortung für diese Vorleistung liegt beim Auftraggeber

Wer diese Regel ignoriert, trägt das komplette Projektzonen-Risiko – wie ein Anleger, der eine Aktie ohne Geschäftszahlen kauft.

Empfohlene Praxis:

  • ⁠Rechtzeitig auf fehlende Planung hinweisen (schriftlich)
  • Nur Leistungen beginnen, wenn vollständige Ausführungsunterlagen vorliegen
  • Bei Widersprüchen im Leistungsverzeichnis oder der Planung: sofort Klärung fordern

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Fazit: VOB zwischen den Zeilen verstehen – statt im Projekt verzweifeln

Wer die VOB nur als Sammlung technischer Vorschriften oder juristischer Klauseln liest, übersieht ihre praktische Macht. Richtig angewendet, ist sie eine Schutzmauer gegen Zahlungsausfälle, Nachtragschaos und Projektverzögerungen.

Erfolgreiche Unternehmen nutzen die VOB:

  • Als Verhandlungsgrundlage
  • Als Projektsteuerungswerkzeug
  • Als Kalkulationsschutz gegen unkalkulierbare Zusatzwünsche

Misserfolge entstehen meist aus Unwissen oder falscher Anwendung.

Was bleibt: Das Potenzial der VOB liegt nicht im Wortlaut – sondern im Verständnis der Abläufe. Wer die Mechanik dahinter kennt, kann sich aus vielen Projektkrisen befreien – ohne auf Kulanz hoffen zu müssen.

FAQ – Häufige Fragen zur VOB in der Praxis

Wann gilt eine Abnahme auch ohne Unterschrift als erfolgt?

Wenn der Auftraggeber trotz Fertigstellung innerhalb einer gesetzten Frist keine Abnahme durchführt, kann gemäß § 12 VOB/B eine Abnahmefiktion greifen – die Leistung gilt als abgenommen.

Was tun, wenn Abschlagszahlungen verzögert oder gekürzt werden?

Voraussetzung für eine Abschlagszahlung ist die Prüfbarkeit. Wenn diese gegeben ist, darf bei Zahlungsverzug laut § 16 VOB/B sogar die Arbeit eingestellt werden – nach vorheriger Fristsetzung.

Wie können Nachträge rechtskonform eingefordert werden?

Nachträge müssen vor Ausführung angekündigt werden. Fehlt dies, bleibt als letzter Ausweg die nachträgliche Anerkennung gemäß § 2 Abs. 8 VOB/B durch den Auftraggeber.








Muss bei mangelhaftem Planmaterial trotzdem gebaut werden?

Nein. Die VOB/B fordert ausdrücklich, dass nur bei vollständiger Planunterlage gebaut werden darf. Ansonsten trägt der Auftragnehmer das Risiko für Verzögerungen und Nachträge.