Wie Nachträge nach der VOB funktionieren und welche Pflichten Auftraggebern zukommen
In vielen Bauprojekten wird der Prozess durch Änderungen oder Erweiterungen der Leistungen gestört: Der Auftraggeber möchte mitten in der Umsetzung ein wichtiges Planungsdetail ändern. Eine Aufgabe wird aufgrund von fehlenden Unterlagen komplizierter. Oder es kommen Sonderwünsche auf, die zusätzliche Arbeit deinerseits erfordern. Sicherlich kennst du solche Fälle zu Hauf.
Im Bauwesen sind Veränderungen des ursprünglichen Bauvertrags, bekannt als Nachträge, keine Seltenheit. Sie betreffen nahezu alle Gewerke vom Straßenbauer über den Elektriker bis hin zum Statiker und Brandschützer. Diese Anpassungen werden notwendig, wenn sich im Laufe eines Projekts Bedingungen ändern oder zusätzliche Leistungen erwünscht sind.
In diesem Artikel möchten wir, das Team von VOB.de, dir das Konzept hinter VOB Nachträgen näher bringen sowie die verschiedenen Nachtragsarten und den Ablauf der Nachtragserstellung vorstellen. Abschließend verraten wir dir auch, weshalb in den meisten Fällen der Auftraggeber für die Notwendigkeit eines Nachtrages verantwortlich ist.
Ein neues Angebot: So funktionieren Nachträge
Warum gibt es laut VOB Nachträge? Durch unvorhergesehene Ereignisse auf der Baustelle, Anpassungen der Anforderungen durch den Auftraggeber oder Abweichungen in Planung und Umsetzung kann es passieren, dass die zunächst vereinbarten Leistungen nicht mehr den Tatsachen entsprechen.
Was ist ein VOB Nachtrag?
Ein Nachtrag ist eine formelle Änderung oder Ergänzung des bestehenden Vertrages, die nach dessen Abschluss vorgenommen wird. Dabei meldet der Auftragnehmer zusätzliche, geänderte oder weggefallene Leistungen schriftlich an.
Ein entsprechendes Nachtragsangebot, auch Nachtragsofferte genannt, umfasst eine präzise Darstellung der erforderlichen Änderungen, eine detaillierte Kostenkalkulation sowie einen angepassten Zeitplan für deren Durchführung. Auftraggeber sind angehalten, diese Angebote sorgfältig zu prüfen und über deren Annahme zu entscheiden, was die Vergütung der zusätzlichen oder geänderten Leistungen einschließt.
Geänderte oder zusätzliche Leistungen – Arten von VOB Nachträgen
Die VOB definiert verschiedene Arten von Nachträgen, die sich aus unterschiedlichen Situationen auf der Baustelle ergeben können. Jede dieser Nachtragsarten trägt den besonderen Bedingungen von Bauprojekten Rechnung, bei denen Planungen und Ausführungen oft flexibel angepasst werden müssen:
- Mehr- oder Mindermengen: Anpassung des Einheitspreises, wenn die tatsächlich benötigten Materialmengen die geplanten Mengen über- oder unterschreiten
- Wegfall von Leistungen: Vergütungsanspruch für gestrichene Leistungen, wenn der Auftraggeber entscheidet, bestimmte Arbeiten selbst durchzuführen
- Geänderte Leistungen: Änderungen im Bauentwurf durch den Auftraggeber, die zu einer Anpassung der Leistungen und Kosten führen
- Zusätzliche Leistungen: Leistungen, die im ursprünglichen Vertrag nicht oder nur unvollständig beschrieben wurden, und daher nachgefordert wurden
- Preisausgleich bei Pauschalsummen: Anpassung der Vergütung, wenn der tatsächliche Leistungsumfang erheblich von den vertraglichen Vereinbarungen abweicht
- Eigenmächtig ausgeführte Zusatzleistungen: Vergütungsansprüche für eigenmächtig erbrachte, aber notwendige Zusatzleistungen, unter bestimmten Bedingungen
- Vergütung für Zeichnungen, Berechnungen oder ähnliche Unterlagen: Anspruch auf Vergütung für die Erstellung oder Prüfung von Dokumentationen, die über den ursprünglichen Vertrag hinausgehen
Angebot für VOB Nachtrag erstellen – der typische Ablauf
Die Erstellung und Einreichung eines Nachtragsangebots im Rahmen der VOB erfordert eine sorgfältige Vorbereitung und genaue Dokumentation. Folgende Schritte sind dabei üblich:
- Ankündigung des Nachtrags
- Erstellung eines detaillierten Nachtragsangebots mit einer präzisen Beschreibung von Leistungen und Kosten
- Einreichung des Nachtragsangebots mit Unterlagen
- Prüfung des Nachtragsangebots durch den Auftraggeber
- Verhandlungen bei Unstimmigkeiten oder Änderungswünschen
- Freigabe oder Ablehnung durch den Auftraggeber
Die sorgfältige Ausarbeitung des Nachtragsangebots sollte eine klare Begründung, einen Kalkulationsnachweis basierend auf der ursprünglichen Rechnung sowie ein detailliertes Nachtrags-Leistungsverzeichnis enthalten. Um den Auftraggeber von der Notwendigkeit des Nachtrags zu überzeugen, sollte die Nachtragsbegründung überzeugend und fundiert sein.
Die Prüfung der Nachträge obliegt in der Regel dem Auftraggeber, wobei bei Bedarf auch externe Sachverständige hinzugezogen werden können. Sie basiert auf den vertraglichen Bestimmungen, den Regelungen der VOB sowie den allgemein anerkannten technischen Standards.
Wer ist verantwortlich für Nachträge – ein Perspektivwechsel
Die Notwendigkeit von Nachträgen liegt in den meisten Fällen nicht in der Unzulänglichkeit des Handwerksbetriebs, sondern in der mangelhaften Projektplanung begründet.
Zwar erscheint es auf den ersten Blick unrealistisch, jedes Detail von Anfang an zu planen und festzulegen, doch genau hier kommt die Bedeutung eines gut geführten Projektmanagements und einer klaren Kommunikation zum Tragen. Laut §3 Abs. 1 des VOB-Vertrages ist der Auftraggeber verpflichtet, alle für die Ausführung nötigen Unterlagen unentgeltlich und rechtzeitig an den Auftragnehmer zu übergeben.
Dies soll sicherstellen, dass Handwerksfirmen auf einer soliden Informationsgrundlage basierende Angebote erstellen und die Ausführung planen können. Kommt der Auftraggeber genau dieser Pflicht nach, wird es unwahrscheinlicher, dass VOB Nachträge erforderlich sind.
Der typische Ablauf von der Ausschreibung bis zur Abnahme setzt voraus, dass mit dem Zuschlag alle relevanten Unterlagen übermittelt wurden. Allerdings führen Chaos im Planungsprozess und nachträgliche Änderungen durch den Auftraggeber häufig dazu, dass diese Idealsituation in der Praxis selten erreicht wird. Oftmals werden notwendige Unterlagen nicht aktualisiert oder erneut ausgehändigt, was zu Unklarheiten und Mehrkosten führen kann.
Ein offener Dialog mit dem Auftraggeber über geänderte Anforderungen und die daraus resultierenden Konsequenzen kann oft helfen, um gemeinsam eine Lösung zu finden, die auch für dein Unternehmen fair ist.
Du ärgerst dich über sich ständig ändernde Anforderungen und das Schreiben von Nachträgen? Schau dir das Video von Continu-ING zu genau diesem Thema an! Hier erklärt Gründer Andreas Scheibe, welche Rechte und Pflichten Auftraggebern und Auftragnehmern im Bezug auf VOB Nachträge zukommen.
Fazit
VOB Nachträge sind ein wesentlicher Bestandteil des Bauprojektmanagements, der es ermöglicht, auf Änderungen der Rahmenbedingungen, Anforderungen und Wünsche des Auftraggebers flexibel zu reagieren. Sie erfordern eine sorgfältige Dokumentation und Begründung, um akzeptiert und umgesetzt zu werden.
Die Herausforderung besteht darin, einen transparenten und offenen Kommunikationskanal zwischen Auftragnehmer und Auftraggeber zu etablieren, um Missverständnisse zu vermeiden und eine faire Lösung für beide Parteien zu finden. Ein umfassendes Verständnis der VOB-Richtlinien, gute Kommunikation und eine gründliche Vorbereitung des Nachtragsangebots sind dabei unerlässlich.
FAQ – häufig gestellte Fragen zu VOB Nachträgen
Was genau versteht man unter einem VOB Nachtrag?
Ein VOB Nachtrag ist eine formelle Änderung oder Ergänzung eines bestehenden Bauvertrags, die notwendig wird, wenn sich die ursprünglichen Bedingungen des Projekts ändern. Dies kann Mehrkosten, geänderte oder zusätzliche Leistungen beinhalten, die aufgrund von Anforderungsänderungen, unvorhergesehenen Umständen oder Wünschen des Auftraggebers entstehen.
Wann ist ein Nachtrag gerechtfertigt?
Ein Nachtrag ist gerechtfertigt, wenn sich die Ausführungsbedingungen vom ursprünglich vereinbarten Leistungsumfang signifikant unterscheiden und diese Änderungen außerhalb des Einflussbereichs des Auftragnehmers liegen. Dies umfasst unter anderem Mehr- oder Mindermengen, wegfallende Leistungen, geänderte oder zusätzliche Leistungen sowie Anpassungen bei Pauschalverträgen.